Omikron, Booster-Impfung und die T-Zellen
Wir sind im „das Corona-Virus erklärt uns das griechische Alphabet“ nun bei Omikron angekommen, dem 15. Buchstaben im griechischen Alphabet. Aktuell ist die Omikron-Variante dabei die bisher noch vorherrschende Delta-Variante zu vertreiben, und dies mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit.
Das RKI liefert hierzu eine tägliche Übersicht zu Omikron-Fällen in Deutschland. Vom 27. zum 28.12.2021 hat sich nun beispielsweise die Zahl an COVID-19 Fällen, die der Omikron-Variante zugeordnet werden können, von 7.225 auf 10.443 erhöht, was einem Zuwachs an Fällen von 45% gegenüber dem Vortag entspricht. Diese Daten zeigen, dass sich die Omikron-Variante in Deutschland bereits schnell ausbreitet und es nur noch eine Frage von Tagen sein könnte, bis sie für den Hauptanteil der neuen Corona-Infektionen verantwortlich ist. Dies ist zum Beispiel in der Schweiz bereits der Fall (Stand 28.12.2021), dort hat es Omikron innerhalb weniger Tage zur vorherrschenden Variante geschafft (1), was die deutlich erhöhte Übertragbarkeit gegenüber der Delta-Variante zeigt.
Ein Grund für die erhöhte Ansteckungsrate der Omikron-Variante sind die vielen Mutationen im Spike-Protein, welches im Rahmen unserer Immunantwort eigentlich von den Antikörpern erkannt werden soll und dann zur Neutralisierung der Viren führt (siehe auch Blog-Post vom 28.12.20). Die Omikron-Variante weist nun insgesamt knapp 60 Mutationen auf, wovon sich 34-36 Mutationen im Bereich des Spike-Proteins befinden. Die Delta-Variante hat im Vergleich dazu nur 9 Mutationen im Spike-Protein (Abbildung 1) (2). Erste Studien haben bereits gezeigt (im Folgenden werde ich mich auf 2 aktuelle Studien beziehen, eine davon aus dem Uniklinikum Köln (3), die andere aus den USA (MIT & Harvard) (2)), dass die Neutralisierung von Virus-Partikeln durch Antikörper nach 2-maliger Impfung stark beeinträchtigt und verringert ist.
Hier ist es nun wichtig zu verstehen wie unser Immunsystem funktioniert und dass es sich nicht nur auf eine Möglichkeit der Verteidigung verlässt.
Machen wir einen kleinen Ausflug in die Wunderwelt unseres Immunsystems, auf das wir jeden einzelnen Tag in unserem Leben angewiesen sind. Wie bereits angedeutet ist unser Immunsystem vielschichtig aufgebaut.
Die größte Unterscheidung findet sich zwischen dem angeborenen und dem spezifischen Immunsystem. Das angeborene Immunsystem steht, wie der Name bereits sagt, uns seit unserer Geburt zur Seite und ist für eine schnelle, dafür aber unspezifische Immunabwehr verantwortlich. Zellen des angeborenen Immunsystems verfügen über Mustererkennungsrezeptoren („Pattern Recognition Receptors (PRR)“) an ihrer Oberfläche, womit sie unspezifisch körperfremde Zellen erkennen - anhand bestimmter Muster, die es üblicherweise in unserem Körper nicht gibt.
Im Kampf gegen Viren sind die Haupt-Protagonisten des angeborenen Immunsystems (neben weiteren Faktoren wie z.B. den Makrophagen) sogenannte Natürliche Killerzellen (NK-Zellen). Diese erkennen Virus-infizierte Zellen und töten diese ab, wodurch sich das Virus in der infizierten Zelle nicht mehr vermehren kann und in seiner Ausbreitung ausgebremst wird.
Nun ist die angeborene Immunabwehr häufig nicht ausreichend, um die Verbreitung von Viren in unserem Körper effektiv einzudämmen. Daher verfügen wir auch noch über das spezifische Immunsystem, welches sich im Laufe unseres Lebens weiterentwickelt und spezialisiert. Das Prinzip der Impfung beruht ebenfalls darauf, dass unser spezifisches Immunsystem auf einen bestimmten Erreger, zum Beispiel ein Virus, trainiert wird. Die spezifische Immunabwehr ist im Gegensatz zur angeborenen Immunabwehr genauer. Sie wirkt Antigen- (oder Virus) spezifisch und benötigt aber auch einige Tage, bis sie sozusagen spezifisch trainiert ist und ein Immungedächtnis ausgebildet hat (daher gilt man bei der Corona-Impfung auch erst 14 Tage nach der 2. Impfung als geimpft).
Haupt-Protagonisten (wieder neben vielen weiteren Faktoren) des spezifischen Immunsystems im Kampf gegen Viren sind die T-Zellen und B-Zellen.
B-Zellen werden von T-(Helfer)Zellen über ein bestimmtes Virus informiert und aktiviert, woraufhin sie spezifische Antikörper gegen das Virus (Antigen) herstellen. Im Fall des Corona-Virus richten sich die Antikörper wie bereits erwähnt gegen das Spike-Protein. Eine Hauptaufgabe von Antikörpern ist es freie Virus-Partikel außerhalb von Zellen zu binden und zu neutralisieren, sie unschädlich zu machen.
Nun haben die beiden oben genannten Studien unabhängig voneinander gezeigt, dass nach einer 2. Impfung die Zahl der Antikörper, die Virus-Partikel der Omikron-Variante neutralisieren können, sehr stark reduziert ist - im Vergleich zur ganz ursprünglichen Variante (der sogenannten Wildtyp-Variante) und auch im Vergleich zur Delta-Variante. Allerdings konnte die Anzahl neutralisierender Antikörper durch eine Booster-Impfung deutlich erhöht werden, in etwa auf das Level was man nach einer 2. Impfung gegen die ursprüngliche Wildtyp-Variante hat. Diese Ergebnisse zeigen sehr deutlich, wie wichtig die Booster-Impfung ist, um unser Immunsystem bestmöglich auf die Omikron-Variante vorzubereiten.
Nun kommen wir aber noch zum 2. Verteidigungsarm unseres spezifischen Immunsystems, den zytotoxischen T-Zellen. Diese patrouillieren durch den Körper und spüren bestimmte (Virus-) Antigene, genauer gesagt nur Teile des Antigens (sogenannte Epitope) auf, welche an der Oberfläche von infizierten Zellen präsentiert werden (Abbildung 2). Nach der Wiedererkennung senden sie bestimmte (zytotoxische) Stoffe aus, welche die Virus-infizierte Zelle eliminieren. Das heißt, die Reaktion der T-Zellen beruht darauf einen Großteil der Virus-spezifischen Epitope wiederzuerkennen, um die Immunabwehr in Gang zu setzen.
Erste Studien, unter anderem von BioNTech/Pfizer zeigen, dass etwa 80% der Epitope des Spike-Proteins, welche von zytotoxischen T-Zellen (CD8+) erkannt werden, in der Omikron-Variante nicht durch Mutationen betroffen sind (4). Dadurch könnten bereits 2 Impfungen (mit mRNA Impfstoff) einen gute T-Zell Immunantwort sicherstellen, wobei hier erste Studien gezeigt haben, dass eine Booster-Impfung auch diese Immunreaktion verbessert.
Zusammenfassend: Die Omikron-Variante wird auch in Deutschland mit großer Wahrscheinlichkeit bereits in den kommenden Tagen bis wenigen Wochen die vorherrschende Variante sein. Diese neue Variante besitzt sehr viele Mutationen, insbesondere im Spike Protein, wogegen sich die Impf-induzierte Immunantwort richtet und was zur Folge hat, dass die Virus-Neutralisierung durch Antikörper stark beeinträchtigt ist, insbesondere nach nur 2 Impfungen. Die Booster-Impfung kann diesen Mechanismus der Immunantwort gegen die Omikron-Variante deutlich verbessern. Der 2. Verteidigungsarm unseres spezifischen Immunsystems, welcher durch die T-Zellen vermittelt wird, scheint weniger stark betroffen zu sein durch die Mutationen, wobei auch hier die Booster-Impfung eine deutliche Verbesserung herbeizuführen scheint.
Die aktuelle Gefahr der Omikron-Variante ist aber ganz klar die hohe Infektionsrate und schnelle Verbreitung. So könnten die Zahlen an Corona infizierten Personen innerhalb kurzer Zeit stark ansteigen und falls dies in kritischen Berufsgruppen, wie zum Beispiel bei Pflegepersonal oder Ärzten passiert, kann dies ein gesellschaftliches Problem darstellen. Daher sollten wir wieder etwas vorsichtiger sein, Kontakte beschränken und: impfen, impfen, Booster-impfen.
Quellen:
1) Quelle: https://www.covid19.admin.ch/de/epidemiologic/virus-variants)
2) mRNA-based COVID-19 vaccine boosters induce neutralizing immunity against SARS-CoV-2 Omicron variant (https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.12.14.21267755v1)
3) mRNA booster immunization elicits potent neutralizing serum activity against the SARS-CoV-2 Omicron variant (https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.12.14.21267769v1)
5) Infos zum Immunsystem über Amboss: https://www.amboss.com/de/wissen/Spezifisches_Immunsystem/