Der Corona-Impfstoff: ein Erfolg der Wissenschaft, aber kein Wunder
In vielen Schlagzeilen wird der neue Corona-Impfstoff als Wunder bezeichnet.
Laut dem Duden handelt es sich bei einem Wunder um ein „außergewöhnliches, den Naturgesetzen oder aller Erfahrung widersprechendes und deshalb der unmittelbaren Einwirkung einer göttlichen Macht oder übernatürlichen Kräften zugeschriebenes Geschehen, Ereignis, das Staunen erregt.“
Schon auf Grund dieser Definition eines Wunders ist der Corona-Impfstoff, der unbestreitbar den Naturgesetzen folgt, sicherlich keines.
Kein Wunder und auch kein Glück, sondern das Ergebnis jahrzehntelanger, kontinuierlicher Forschung, um eine neue therapeutische Impf- oder Wirkstoff Technologie von der ersten experimentellen Entdeckung, bis hin zum klinischen Einsatz, auf den Weg zu bringen.
So begründete sich das Tübinger Unternehmen CureVac, welches schon seit 20 Jahren diese Technologie erfolgreich vorantreibt, durch eine unerwartete Entdeckung ihres Gründers Dr. Ingmar Hoerr im Rahmen seiner Doktorarbeit. In den darauffolgenden zwei Jahrzehnten hat das Unternehmen diese Technologie vorangetrieben und aktuell viele mRNA-basierte Impf- & Wirkstoffe in der Entwicklung. Unter anderem ein Corona-Impfstoff (CVnCoV), welcher sich aktuell noch in der letzten klinischen Phase III befindet.
BioNTech, deren Corona-Impfstoff Comirnaty am 22.12.2020 die erste EU-weite Zulassung erhalten hat, wurde 2008 gegründet und hatte von Beginn an den Fokus auf mRNA-basierter Impfung gegen Krebserkrankungen. Somit sind die Forschungsfelder beider Unternehmen ursprünglich unterschiedlich, die verwendete Technologie jedoch gleich.
Dies zeigt, Forschung braucht viel Zeit, viele Ressourcen (personell und finanziell) und Durchhaltevermögen. Wenn nun der Corona-Impfstoff leichtfertig als Wunder bezeichnet wird, schmälert dies die jahrelange Arbeit vieler Wissenschaftler und ignoriert das zuverlässige (und auch mühsame) Grundprinzip von Forschung: eine iterative Abfolge aus Hypothese - Experiment - Erkenntnisgewinn - Widerlegung oder (teilweise) Bestätigung der Hypothese.
Daher sind aus meiner Sicht die neuen mRNA-basierten Corona-Impfstoffe von BioNTech/Pfizer, Moderna und hoffentlich bald auch CureVac, ein großer Erfolg der Wissenschaft über den man sich sicherlich freuen kann! Das Prinzip ist simpel und gleichzeitig genial:
Die mRNA des Impfstoffs beinhaltet die Information für ein Protein, welches im Körper gebildet und als Antigen wirken kann (da unser Erbgut aus DNA ist, besteht keine Gefahr einer genetischen Veränderung durch den Impfstoff).
Das Antigen (im Falle von Corona, dessen Spike/Oberflächenprotein, nicht das ganze Virus) löst eine Immunantwort aus, wodurch Antikörper gegen das Antigen und Immun-Gedächtniszellen gebildet werden - diese erkennen das Antigen (und dadurch das Virus) bei einer wirklichen Infektion sofort und ermöglichen eine rasche Bildung von passenden Antikörpern zur Bekämpfung.
Herkömmliche Impfstoffe beinhalten eine abgeschwächte Version des Antigens (u.a. durch Erhitzen). Die Herstellung des Antigen-Proteins in ausreichenden Mengen zur effektiven Impfung ist aber sehr (Zeit & Kosten) aufwändig. Im Falle des mRNA-basierten Impfstoffs, übernimmt diese Aufgabe der Körper einfach selber.
Weiterhin kann die mRNA im Labor sehr leicht verändert und auf neue Viren oder Pathogene maßgeschneidert angepasst werden. Somit stellt diese Technologie eine modulare Plattform da, welche einerseits einem einfachen Prinzip zugrunde liegt, gleichzeitig aber sehr spezifisch funktioniert.
Neben dem großen wissenschaftlichen Erfolg ist der Corona-Impfstoff aber auch ein deutlicher Beweis dafür, dass kontinuierliche Förderung und Investition in die Forschung wichtig für Gegenwart und Zukunft unserer Gesellschaft sind.
Denn, sobald die Corona-Krise vorbei ist, müssen wir uns wieder mit voller Energie einigen vielleicht noch größeren Bedrohungen unserer Zeit widmen: Krebs, Klimawandel, altersbedingte Erkrankungen, multiresistente Keime…